Fast alles dreht sich in Frankreich ums Essen. Man trift sich zum Essen, spricht dabei übers Essen und denkt schon darüber nach, was man als Nächstes essen könnte. Die französische Küche zählt zu den besten der Welt.
Die Verarbeitung regionaler und saisonaler Zutaten ist dabei eine ihrer Stärken und zeigt auf, wie edel auch die rustikale Landküche sein kann.
«Wir leben fürs Essen», begeistert sich Yves Staebell, Inhaber und Küchenchef vom Restaurant Château de Lalande in Annesse-et-Beaulieu im Périgord. «Wir haben in Frankreich das Glück, dass circa alle 100 Kilometer eine andere Region beginnt. Man erkennt es an der Architektur und an der kulinarischen Tradition.» Vom Norden bis zum Süden habe jede Region ihre Spezialitäten.
Der gebürtige Elsässer arbeitete schon in Cannes an der Cote d’Azur und in Deauville in der Normandie. Inzwischen betreibt er mit seiner Frau das Château wie ein Gastgeber, der nach Hause einlädt. Der Koch wirkt auch im Collège Culinaire de France mit. Diese Allianz von Spitzenköchen, 2011 unter anderem von Sternekoch Alain Ducasse gegründet, will handwerkliches Können in Gastronomie und bei Erzeugern unterstützen und fördern.
Sahne in der Normandie, Olivenöl an der Cote d’Azur
«Frankreich liegt an zwei Meeren, Mittelmeer und Atlantik. In der Normandie oder Bretagne wird Fisch aber völlig anders zubereitet als an der Cote d’Azur», erklärt Staebell. In der Normandie seien Butter und Sahne wichtig, an der Cote d’Azur Olivenöl. «Bei uns im Périgord ist es die Ente, das Confit de Canard, im Elsass Choucroute, in Cannes und Nizza Pissaladière, eine Art Pizza, und Salade niçoise, in Toulouse das Cassoulet», nennt er einige Beispiele.
«Wir haben so starke Produkte. Aber dasselbe Produkt wird in den verschiedenen Regionen ganz unterschiedlich zubereitet», so Staebell. Im Elsass etwa werde Schweinefleisch nur geräuchert gegessen. In der Bretagne dagegen kannte man Geräuchertes lange nicht. Man aß frischen Speck, den man kochte. Im Périgord war es ähnlich, erklärt der Koch.
Unerlässlicher Bestandteil der périgordischen Küche sind Enten. Mit deren Fett wird nahezu alles zubereitet. Häufig gereichte Pommes de terre Sarladaises sind in Entenschmalz gebratene Kartoffelscheiben, verfeinert mit Knoblauch und Petersilie. Wer will, hobelt im Winter auch Périgord-Trüffel darüber, schwärmt Staebell.
Einfach zuzubereiten, aber nicht mittelmäßig
Für sein Confit de Canard legt er die Entenkeulen 24 Stunden in eine Marinade mit Lorbeerblättern und Koriandersamen ein. Danach gart er sie langsam in Entenschmalz und konserviert sie in Gläsern. Bei der finalen Zubereitung brät er sie im Ofen, um Farbe und Kruste zu bekommen. Dazu serviert er Kartoffeln «Sarladaises». «Das ist ein typisches Familiengericht», sagt er. «Ein Confit de Canard ist sehr einfach zuzubereiten. Ich sage aber immer: Was einfach ist, darf nicht mittelmäßig sein.»
Foodbloggerin Sandy Neumann lebt mit ihrem Mann seit 2018 in einem alten Natursteinhaus in Tuchan, einem kleinen Dorf in Okzitanien in Südfrankreich. Sie erzählt in ihrem Blog auch von ihrem Leben in der Region und über typische Speisen.
Die traditionellen Gerichte seien immer einfach und aus der Not geboren, sagt die gebürtige Jenaerin, die sich als «kulinarische Botschafterin Frankreichs» versteht. In ihrem «Speiseführer Südfrankreich» stellt sie 30 typische Speisen aus der Region Provence-Alpes-Côte D’Azur vor.
Dabei darf die Bouillabaisse aus Marseille nicht fehlen. «Sie war ursprünglich eine Speise für arme Fischer aus dem, was vom Fang des Tages noch übrig war», erklärt Neumann.
Sie bereitet eine Fischsuppe zu, die der Bouillabaisse ähnlich ist. Dazu verwendet sie festkochenden Fisch, Miesmuscheln und manchmal auch Krustentiere. In den Sud gehören unter anderem Tomaten, Zwiebeln, Knoblauch, Fenchel und Safran. Dazu wird klassisch Sauce Rouille aus Knoblauch, Olivenöl und Safran sowie Brot gereicht.
Das große Missverständnis um den Nizza-Salat
Wer kennt nicht Nizza-Salat! Auf der ganzen Welt wird er serviert, aber fast immer falsch. «Darüber wird schon lange gestritten, was in einen guten Salade niçoise rein muss», so Neuman. Ursprünglich ein Arme-Leute-Gericht, bestand es aus Tomaten, Olivenöl, Oliven und Anchovis statt des teuren Thunfischs. Je nach Saison kam Gemüse dazu.
Inzwischen ist das ein «echter» Salade niçoise: junge grüne Blattsalate, Tomaten, grüne oder rote Paprika, Radieschen, Frühlingszwiebeln, violette Artischocken im Frühjahr, hartgekochte Eier, kleine schwarze Oliven. Mit Olivenöl, Essig, Salz und Pfeffer abgeschmeckt, kommen noch Anchovis-Filets dazu. Traditionell wird der Salat auf einem großen tiefen Teller angerichtet, der mit einer Knoblauchzehe eingerieben wurde.
Cassoulet: Der Eintopf, der im Krieg erfunden wurde
«Geht man in Richtung Okzitanien, dann ist eine bekannte Speise das Cassoulet. Das ist ein kräftiger Eintopf mit viel Fleisch und weißen Bohnen», sagt Neumann.
«Angeblich wurde er bei der Belagerung Castelnaudarys im Hundertjährigen Krieg erfunden», erklärt Ralph Schetter, Tourismusexperte für Südfrankreich. Die Bevölkerung trug für ihre Soldaten alles Essbare wie Speck, Saubohnen, Würste und Fleisch zusammen und garte es lange. Heute nimmt man weiße Bohnen und bereitet das Gericht in der tönernen Cassole zu.
Schneckenfrikassee und Kaninchenterrine
Der französische Sternekoch Daniel Galmiche verarbeitet am liebsten alles, was die Natur zu bieten hat. Sein Kochbuch «Französische Landküche. Rezepte von den Feldern, Wäldern und Küsten» ist ein Appell, regional und saisonal einzukaufen. In seine Art zu kochen, fließen Tradition und Innovation ein.
Aufgewachsen in der Region Franche-Comté wurde im Hause Galmiche traditionell gekocht. Gibelotte de lapin, ein Kaninchenfrikassee, zählt noch immer zu seinen Lieblingsgerichten, ebenso Hirsch-Bourguignon mit dunkler Schokolade, Kaninchenterrine oder Tartes mit confierten Tomaten, Chili und Zitronenthymian.
Noch ein Beispiel für regionale Vielfalt ist die Zubereitung von Schnecken. Gefragt ist bei Yves Staebell Fricassée d’escargots. Das Schneckenfrikassee bietet er mit Streifen geräucherter Entenbrust, Zwiebeln, kandierten Schalotten und Erbsenschaum an. Populär ist auch die mit Kräuterbutter überbackene Variante aus der Bourgogne.
Literatur:
Aurélie Bastian: «Französisch kochen mit Aurélie», Südwest Verlag, 176 Seiten, 22 Euro, ISBN 978-3-517-10261-0
Angèle Ferreux-Maeght: «Bon Appetit! Moderne Küche mit französischem Charme», Jan Thorbecke Verlag 2023, 192 Seiten, 26 Euro, ISBN: 978-3-7995-1977-9.
Daniel Galmiche: «Französische Landküche. Rezepte von den Feldern, Wäldern und Küsten», Ars Vivendi 2022, 240 Seiten, 32 Euro, ISBN: 978-3-7472-0411-5.
Sandy Neumann: «Speiseführer Südfrankreich», Conbook Verlag 2022, 192 Seiten, 14,95 Euro ISBN: 978-3-95889-398-6.